Bahnpolitik der „Ampel“ – Zwischenbilanz und Ausblick

Die „Ampel“-Koalition hat sich in der Bahnpolitik viel vorgenommen. So wollen wir  „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“, prioritär die Projekte des Deutschlandtaktes umsetzen, mehr Oberzentren an den Fernverkehr anbinden, bis zum Jahr 2030 75 Prozent der Streckenkilometer mit Oberleitungen versehen, ein Programm „Schnelle Kapazitätserweiterung“ auflegen, Bahnhofsprogramme bündeln und stärken, den Aus- und Neubau des Netzes vorantreiben und stillgelegte Strecken reaktivieren. Besonders wichtig ist die Reform der bundeseigenen Deutschen Bahn AG. Wir wollen die Infrastruktursparten zusammenlegen – was das derzeit deutlich erkennbare wirre Baustellenmanagement verbessern helfen sollte – und die Infrastruktur vom Druck, Gewinne erwirtschaften zu müssen, befreien.

Die Umsetzung ist vor allem unter der Vorgabe, die Schuldengrenze ein-halten zu wollen, alles andere als ein-fach. Doch im Haushalt 2022 konnten wir einige Akzente setzen: Wir haben die Bedarfsplanmittel für den Aus- und Neubau der Schiene gegenüber 2021 um 22 Prozent und die Lärmsanierungsmittel um 33 Prozent er-höht. Die elektrische Güterbahn wird um 24 Prozent besser ausgestattet. Die Investitionen in die Schieneninfrastruktur steigen gegenüber 2021 um insgesamt 180 Millionen Euro. Die Investitionen in die Schiene liegen um 970 Millionen Euro höher als die in die Straße. Wobei – das muss man dazusagen: Wir müssen mal darüber reden, was da alles jeweils reingerechnet wird. Zum Jubeln gibt es aber leider keinen Grund: Noch immer fließt zu viel Geld in neue Straßen und zu wenig in die Schiene. Bei der Schiene haben wir es mit jahrzehntelangen Versäumnissen zu tun. Heute fahren so viele Züge wie nie zuvor auf einem geschrumpften und durch eine Vielzahl schlecht koordinierter Baustellen geschwächten Netz. Eines meiner Steckenpferde, das ich auch als Aufsichtsratsmitglied bei DB Netz vorantreiben werde, sind verhältnismäßig schnell umsetzbare Kleinmaßnahmen zur Erhöhung von Kapazität und Resilienz. Wir müssen mit mehr Weichen und Signalen Blockabstände ver-kürzen und den Gleiswechselbetrieb ermöglichen. Auf der Strecke Stuttgart – über Nürtingen – nach Tübingen besteht ein besonderer Bedarf, da die Züge hier teilweise nur in sehr langen Abständen fahren können. Diese Kleinmaßnahmen ersetzen aber nicht den Ausbau durch zusätzliche Gleise. Ich denke da an die Gäubahn. Wir reden viel zu viel über den teuren und fragwürdigen Pfaffensteigtunnel und zu wenig darüber, wann wir endlich die eingleisigen Abschnitte weiter unten im Süden möglichst durchgehend zweigleisig ausbauen. Handlungs-bedarf sehe ich auch auf dem Kor-ridor Stuttgart – Nürnberg. Im Bedarfsplan („Bundesverkehrswege-plan“) sind kaum noch wirkungsvolle Ausbaumaßnahmen enthalten. Wir müssen aber die Fahrzeiten verkürzen, um in Nürnberg bessere Anschlüsse zu ermöglichen. Dazu bin ich schon seit einiger Zeit mit der Deutschen Bahn im Gespräch.

Da der Bund sich in den letzten Jahren mit seinem Engagement für die Bahn stark zurück gehalten hat, wurde vielfach das Land aktiv. So werden die Bodenseegürtelbahn und die Hochrheinbahn gemeinsam mit den Landkreisen elektrifiziert. Für die Elektrifizierung und den Ausbau der Brenzbahn sowie den Ausbau der Frankenbahn wurden vom Land Studien beauftragt.

Positive Perspektiven bestehen für die Reaktivierungen stillgelegter Bahnstrecken und den Ausbau der regionalen Schienenwege. Da denke ich auch an die Verbindungen zwischen Kirchheim unter Teck, Weil-heim, Bad Boll und Göppingen und ebenso die zwischen Ostfildern und Esslingen. Denn die neue Bewertungsmethodik (Standardisiertes Verfahren, kurz: „Standi“) schafft dafür deutlich bessere Bedingungen.

Es muss darum gehen, die Bahn wieder zu einem verlässlichen und bevorzugten Verkehrsmittel zu machen. Die Menschen in der Schweiz sind stolz auf ihre Bahn. Wir wollen, dass auch wir in Deutschland in einigen Jahren sagen können: „Unsere Bahn funktioniert und ist im Personen- wie auch im Güterverkehr sehr attraktiv.“

Text: Matthias Gastel MdB